"Entwicklungspsychologie
Erst Krippe, dann ADHS?“
Wissenschaftler sind auf mögliche Ursachen für Hyperaktivität gestoßen: Offenbar hängt die
Chance, dass ein Kind Aufmerksamkeitsstörungen entwickelt mit dem Alter des Krippenbesuchs zusammen.
Wenn Kinder sehr früh in  die Krippe kommen, kann dies später mit einem erhöhten Risiko für  Aufmerksamkeitsstörungen einhergehen. Diesen Verdacht legen zwei Studien  nahe, die kürzlich im Fachblatt „Allergy“ erschienen sind.Zunächst berichtete dort  ein Team um die Düsseldorfer Umweltmedizinerin Claudia Cramer, dass  Krippenkinder im Vergleich zu anderen Mädchen und Jungen in den ersten  zwei Lebensjahren ein anderthalbfach erhöhtes Risiko tragen, ein Ekzem  zu bekommen. Die Forscher nutzten Daten der noch laufenden  Geburtskohortenstudie „LISAplus“, die mitunter auf  Untersuchungsprotokollen, Blutanalysen und der Feststellung von  Allergieauslösern in Haushalten basiert. Im Fokus standen dabei  insgesamt 3097 Kinder in Ost- und Westdeutschland. Ziel war es, Aussagen  über die Entwicklung von Lebensstilen und ihre Auswirkungen auf Kinder  nach der Wiedervereinigung zu treffen. Bei der engeren Datenerfassung  handelte es sich um 1578 Kinder aus München, Leipzig, Wesel und Bad  Honnef.
Die Forscher wollten  wissen, warum Kinder in Ostdeutschland bis zu ihrem sechsten Lebensjahr  häufiger an Ekzemen leiden als in Westdeutschland. Nachdem andere  Faktoren wie Genetik, Verkehrsbelastung und soziale Verhältnisse  herausgerechnet worden waren, blieb als einziger Faktor die Krippe, die  die ostdeutschen Kinder häufiger besuchten als die westdeutschen.  „Krippenbetreuung ist mit einem erhöhten Risiko für eine Ekzembildung  verbunden“, so die Forscher.
Über die Gründe können  sie bisweilen nur spekulieren. Möglicherweise spiele der erhöhte  Stresspegel eine Rolle, dem Kinder in Krippen ausgesetzt seien.
„Man weiß heute, dass  neben immunologischen Faktoren auch Störungen der Hautbarriere eine  wichtige Rolle bei der Entwicklung eines Ekzems spielen“, sagt  Studienautorin Claudia Cramer vom Arbeitsbereich Epidemiologie des  Leibniz-Instituts für umweltmedizinische Forschung in Düsseldorf. Auch  die Psyche und emotionaler Stress seien von wesentlicher Bedeutung für  die Krankheitsentwicklung eines Ekzems und dessen Verlauf.
Die Studie, so die  Autorin, befinde sich im Einklang mit einer schwedischen Untersuchung,  die bei ein- bis sechsjährigen Kindern zu dem gleichen Ergebnis gekommen  sei. Hier fanden Wissenschaftler heraus: Je jünger die Kinder waren,  desto stärker war auch der negative Effekt.
Ostdeutsche Jungs im Fokus
Das passt zu  Beobachtungen der Entwicklungspsychologin Lieselotte Ahnert an der  Universität Wien, die kürzlich bei unter zweijährigen Krippenkindern  flachere Cortisol-Tagesprofile und damit eine ungünstigere  Stressverarbeitung feststellte.
Im März veröffentlichte  dann ein Team um den Dresdner Dermatologen Jochen Schmitt ebenfalls in  „Allergy“ eine Studie auf Basis derselben Geburtskohorte, die auch die  Düsseldorfer Kollegen genutzt hatten. Ergebnis: Kinder, die in den  ersten beiden Lebensjahren wegen juckender Ekzeme schlecht schliefen –  der Düsseldorfer Studie zufolge waren dies vor allem Krippenkinder -,  neigten als Zehnjährige stärker zu Aufmerksamkeitsstörungen und  Hyperaktivität.
Dies könnte womöglich  erklären, weshalb ADHS bei ostdeutschen Kindern, vor allem bei den  Jungen, häufiger auftritt als in den alten Bundesländern. Denn analog  zur Ekzemhäufigkeit und stärkeren Krippennutzung kommen im Osten einer  2007 veröffentlichten Studie der Universität Halle zufolge auf 100.000  Einwohner 25,3 ADHS-Jungen, im Westen dagegen nur 8,7.
Claudia Cramer fordert  weitergehende Untersuchungen, die detaillierte Informationen zu  Häufigkeit des Krippenbesuchs, Betreuungsschlüssel, Gruppengröße und  Verköstigung liefern. „Denn natürlich macht es einen Unterschied für die  Stressbelastung, ob fünf oder 20 Kinder in einer Gruppe sind“, sagt die  Forscherin. Auch deute sich an, dass der Effekt nachlasse, wenn Kinder  später in die Krippe kämen. Noch fehlten hierzu gesicherte Daten."
Hinweis:Leider fehlt der  Hinweis in diesem Artikel,dass in dieser Studie festgestellt wurde,dass  der Cortisolgehalt von in Tagespflege betreuten Kindern ungleich  geringer ist.
(A.d.R.)